Gespräch in Hanauer Agentur für Arbeit: Anregungen für politische Diskussion in Berlin

Die Arbeitsmarktsituation im Main-Kinzig-Kreis war Thema eines Gesprächs zwischen dem heimischen CDU-Bundestagsabgeordneten
Dr. Peter Tauber und dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Hanauer Agentur für Arbeit, Alexander Noblé. Die Arbeitslosenquote im Main-Kinzig-Kreis war im Februar etwas höher als in den beiden Vorjahren, bewegt sich aber weiterhin unterhalb des hessischen Gesamtdurchschnitts. Der Arbeitsmarkt zeige sich zwar insgesamt robust, dennoch müssten alle Beteiligten Sorge dafür tragen, dass der Region die Fachkräfte nicht ausgingen, führte Noblé im Gespräch mit Tauber aus.

Aufgrund der demografischen Entwicklung werden in den kommenden Jahren immer weniger Jugendliche die Schule verlassen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Deshalb müssten Unternehmen auch Schulabgängern eine Chance geben, die auf den ersten Blick nicht dem idealen Bild eines Auszubildenden entsprächen. Die Agentur für Arbeit könne hier mit Hilfe von ausbildungsbegleitenden Hilfen außerhalb der Schul- und Arbeitszeiten Unterstützung leisten.

Potenzial sieht Noblé zudem in der Förderung der Frauenerwerbstätigkeit. Angebote wie Tele- oder Heimarbeit müssten gestärkt, flexible Arbeitszeitmodelle gefördert werden. Der Kontakt zwischen den Unternehmen und Mitarbeiterinnen, die sich nach der Geburt ihres Kindes in die Elternpause verabschiedeten, dürfe nicht abbrechen, damit die Frauen arbeitstechnisch auch weiterhin „am Ball“ bleiben könnten. Bislang, so Noblé, gebe es hier nur Informationsangebote für Berufsrückkehrer. Diese hätten die Grundsatzentscheidung für eine Rückkehr ins Berufsleben allerdings bereits getroffen; die Förderung setze an dieser Stelle also zu spät an. Angesichts des prognostizierten „Verteilungskampfes um qualifizierte Fachkräfte“ rät Noblé kleinen und mittleren Betrieben zu einer Verbundstruktur in Sachen Kinderbetreuung, beispielsweise in Form von gemeinsamen Betriebskindergärten.

Nachholbedarf sieht der Leiter der Hanauer Arbeitsagentur auch im Bereich der Migranten. „Hier fehlt es bislang an einem langfristigen Konzept“, betonte Noblé und warnte vor der Gefahr von „Rückrufaktionen“ durch die Herkunftsländer der Einwanderer in einigen Jahren. Zudem mahnte er eine ausgewogenere Verteilung der Migranten auf die einzelnen Regionen an. Derzeit herrsche in den Ballungszentren stellenweise bereits eine Überversorgung, während in den ländlichen Regionen händeringend nach Fachkräften gesucht werde. Auch die Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt bleibe weiterhin ein Thema.

Kritisch beurteilte Noblé das jüngste verabschiedete Rentenpaket inklusive der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren, da es als Frühverrentungsprogramm missverstanden werden könne. Ziel müsse es aus seiner Sicht vielmehr sein, Anreize dafür zu schaffen, qualifizierte Arbeitskräfte auch über das offizielle Renteneintrittsalter hinaus im Arbeitsmarkt zu halten. Möglich sei dies beispielsweise durch die Schaffung von Wahlfreiheit. Noblé: „Wer über das offizielle Renteneintrittsalter hinaus arbeiten möchte oder muss, der soll entscheiden können: Will ich keine Sozialabgaben zahlen und erhalte dafür später eine gedeckelte Rente, oder zahle ich Sozialabgaben, erhöhe dafür aber meinen Rentenanspruch?“

Tauber bedankte sich für die interessanten Einblicke und versprach, die Anregungen des Arbeitsagenturchefs mit in die politische Diskussion nach Berlin nehmen.