Interview von CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit der Schwäbischen Zeitung
CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab der Schwäbischen Zeitung (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Sabine Lennartz.
Schwäbische Zeitung: 70 Jahre CDU, das Jubiläum wird in zehn Tagen gefeiert. Kommen Sie ins Träumen, wenn Sie an die Mitgliederzahlen der 1980er- und 1990er-Jahre mit 600 000 bis über 700 000 denken? Heute sind es rund 200 000 weniger.
Peter Tauber: Die CDU hat sich sehr verändert, unsere Gesellschaft auch. Die CDU war in ihren Ursprüngen eher eine Honoratiorenpartei mit weniger Mitgliedern und ist erst damals zu einer wirklichen Volkspartei geworden. Die Gesellschaft Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre war viel politischer als heute. Es war die Zeit der großen Systemfragen zwischen der freien westlichen Welt und dem Sozialismus. Unter Generalsekretär Kurt Biedenkopf traten vor 40 Jahren 200 000 Menschen in die CDU ein. Jetzt sind wir in einer Phase, in der viele, die damals eingetreten sind, schon lange im Rentenalter sind. Wir stehen vor der Herausforderung, neue Mitglieder zu gewinnen.
Frage: Wie sollen Sie das anstellen?
Tauber: Wir schauen nicht nur zurück, sondern nach vorne. Wir machen eine große Parteireform und werben Mitglieder mit neuen Angeboten, mit mehr Mitsprache sowohl vor Ort als auch auf Bundesebene. Unsere Demokratie würde ohne Parteien schwerlich funktionieren. Je mehr Menschen mitmachen, desto besser wird sie.
Frage: Erleben Sie Politikverdrossenheit oder vielleicht nur eine gewisse Gelassenheit gegenüber Politik?
Tauber: Ich erlebe eher eine Verdrossenheit mit Politikern, weil Menschen offenbar das Gefühl haben, dass Politiker für sie nicht ansprechbar und erreichbar sind. Politiker sollten nicht nur senden, sondern auch zuhören. Das kann allerdings nicht bedeuten, auch alles zu tun, was Menschen von ihnen fordern. Da halte ich es mit Martin Luther: Man soll dem Volk aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden. Und übrigens: Wenn Menschen sich selbst nicht 15 Minuten Zeit nehmen, um etwa Nachrichten zu sehen oder die Tageszeitung zu lesen, wie wollen sie dann verstehen, was in der Welt los ist? Es braucht beides: Politiker, die zuhören und erklären, und Bürger, die sich informieren. Nur dann kann es funktionieren.
Frage: Die CDU ist länger in Regierungsverantwortung als jede andere Partei. Macht das auch schlaff?
Tauber: Nein, die CDU stellte zwar 46 Jahre den Kanzler oder die Kanzlerin, die SPD nur 20 Jahre. Doch unsere Partei hat stets aufs Neue die Herausforderung angenommen, sich kritisch zu hinterfragen. Immer, wenn sie das nicht getan hat und nicht auf der Höhe der Zeit war, ist sie abgewählt worden. Wenn sich die Gesellschaft verändert, müssen wir uns als CDU fragen, ob wir darauf auch neue Antworten geben müssen. Das ist uns in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gelungen und gelingt uns auch im zehnten Jahr der Kanzlerschaft Merkels gut. Digitalisierung, sozialer Zusammenhalt, Mütterrente, Pflege – wir haben viel auf den Weg gebracht.
Frage: Finden Sie Ihre Partei munter?
Tauber: Wenn ich unsere Mitglieder treffe, auf jeden Fall.
Frage: Wird die Basis nicht dann besonders munter, wenn sie klagt, wie beliebig die Partei unter Merkel geworden ist, und dass früher alles besser war?
Tauber: Ich antworte dann: Welches Früher meint ihr? Denn die größte Phase an Veränderungen hat die CDU unter dem frühen Helmut Kohl erlebt, als sie zur Mitgliederpartei wurde, als die neuen sozialen Fragen und neue Formen der Teilhabe diskutiert wurden. Da hat sich die CDU völlig neu aufgestellt. Die CDU hat sich in den vergangenen 70 Jahren immer wieder geändert, weil sich die Welt geändert hat.
Frage: Die CDU ist mit widerspenstigen Generalsekretären wie Biedenkopf oder Geißler weitergekommen. Was ist Ihr Rezept?
Tauber: Ich wünsche mir, dass die CDU Volkspartei bleibt. Dazu muss sie auch in ihrer Mitgliedschaft die Vielfalt der Gesellschaft abbilden. Doch wir haben zu wenige Frauen, zu wenig junge Leute, zu wenig Einwanderer. Wenn wir verstehen wollen, was Menschen umtreibt, was junge Frauen bei der Jobsuche bewegt, dann muss man sie fragen, dann müssen sie mitmachen.
Frage: Droht der CDU nicht ein Profilverlust, wenn sie alle anspricht?
Tauber: Nein. Die CDU als die Volkspartei der Mitte hat immer alle angesprochen. Wir müssen es aber nicht jedem recht machen, sondern die Interessen vieler zum Gemeinwohl zusammenbringen. Neulich sagte mir eine junge Frau: CDU ist, wenn die Alten sich um die Belange der Jungen kümmern, wenn die Männer verstehen, welche Sorgen Frauen in der Gesellschaft haben, und wenn die Deutschen sich fragen, wie sie mit Einwanderern umgehen. Das ist ein schönes Bild.
Frage: Welche Werte hat nur die CDU?
Tauber: Ich will anderen nicht absprechen, dass sie gute Christen sind, aber natürlich ist das christliche Menschenbild unser prägender Wertekanon. Das Individuum steht bei uns im Mittelpunkt, die Würde des Menschen. Und natürlich gibt es bei uns auch viele, die mit Stolz Patrioten sind.