Tauber: “Debatte über Zuwanderung wichtig”

“Die Freizügigkeit ist ein großes Geschenk. Wir wollen, dass qualifizierte Zuwanderer in Deutschland arbeiten und leben und heimisch werden. Davon profitieren wir. Wir sollten aber nicht verschweigen, dass auch Menschen kommen, die gar nicht arbeiten oder sich integrieren wollen”, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Er verwies zudem darauf, dass das Thema bereits eine große Rolle in den Kommunen spiele.

Das ganze Interview:

dpa: Herr Tauber, Sie sind in der Welt des Internets zu Hause. Wo werden Wahlkämpfe künftig gewonnen – auf dem Marktplatz oder im Netz?
Peter Tauber: Sowohl als auch. Das kann man nicht trennen. Die spannende Frage ist, wie wir als Partei jene Menschen erreichen, die aus den verschiedensten Gründen nicht auf den Marktplatz kommen – also Menschen, die keine Zeit haben oder nicht mobil sind. Da ist das Internet eine sehr gute Möglichkeit, sie zu erreichen.

dpa: Welche Bedeutung hat das Internet in der heutigen Parteien-Kommunikation?
Tauber: Viele Bundestagsabgeordnete haben in diesem Wahlkampf erlebt, welche Chancen im direkten Dialog über das Netz liegen. Gerade in einem Bündnis wie der großen Koalition, wo man auch mal schwierige Entscheidungen trifft und mühsam um Kompromisse ringt, haben wir über das Internet die Möglichkeit, deutlich zu machen, was CDU pur ist.

dpa: Über welche Netzwerke erreichen die Menschen Sie?
Tauber: Die gängigsten sind derzeit Twitter und Facebook. Ich will mich da aber nicht festlegen. Vielleicht wird es in zwei Jahren ein soziales Netzwerk geben, von dem wir jetzt noch nichts ahnen. Dann muss die CDU dort ebenfalls präsent sein.

dpa: Sollte die CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel twittern?
Tauber: Das muss jedem selbst überlassen bleiben. Vielleicht würden die Menschen sich darüber freuen. Aber wichtiger ist ihnen sicher, dass die Kanzlerin das Land gut regiert.

dpa: Da Sie den Knatsch in der neuen Koalition schon angedeutet haben, wie bewerten Sie die Stimmung zwischen CDU, CSU und SPD?
Tauber: Ich kann der SPD nur empfehlen, dass sie mit uns und nicht über uns spricht. Wir haben bald eine Kabinettsklausur, wo man über viele Themen reden kann. Da hätte der Bundesjustizminister auch seine Überlegungen zur Vorratsdatenspeicherung anbringen können, statt sie über die Presse zu kommunizieren.

dpa: Das macht die CSU aber nicht anders als Heiko Maas.
Tauber: Beim Thema Armutszuwanderung hat die CSU zugespitzt an das erinnert, was ja auch im Koalitionsvertrag steht. Bei Herrn Maas bin ich mir nicht sicher, ob er nicht die Taktik seiner Vorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fortsetzen will und ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung einfach immer weiter verzögert. Er wird sich aber daran messen lassen müssen, dass er Vorgaben aus Brüssel umsetzt. Auch wenn man persönlich eine andere Meinung vertreten mag, gilt europäisches Recht. Gerade Deutschland dringt ja in der Euro- Krise darauf, dass sich alle EU-Staaten an Spielregeln halten. Die Menschen erwarten, dass wir handeln – und nicht jahrelang nur reden.

dpa: Was macht die CDU für junge Menschen attraktiv?
Tauber: Bei der Bundestagswahl ist die CDU mit Abstand stärkste politische Kraft bei den Jung- und Erstwählern geworden. Diesen großen Vertrauensvorschuss müssen wir durch unsere Arbeit in der Regierung rechtfertigen. Mein Eindruck ist, dass die junge Generation heute nicht ideologisch festgelegt ist. Junge Leute stecken sich Ziele und wollen etwas leisten – und fragen sich sehr bewusst, was eine Partei für sie und ihre Zukunft tut. Neben den Jüngeren habe ich aber noch eine andere Gruppe im Blick, die wir stärker fürs Mitmachen gewinnen müssen: Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

dpa: Gutes Stichwort. «Wer betrügt, der fliegt» – machen Sie sich die umstrittene CSU-These zu eigen?
Tauber: Ich kämpfe manchmal mit dem schweren Säbel. Mir ist das leichte Florett jedoch lieber. CDU und CSU sind schwesterlich verbunden, aber wir sind verschiedene Parteien. Das Problem ist, dass eine Debatte ohne Zuspitzung oft gar nicht stattfindet. Wir müssen jetzt aber über das Thema reden. Denn wenn man mit Sozialarbeitern oder Polizisten spricht, dann weiß man, dass die Zuwanderung in unser Sozialsystem in den Kommunen eine Rolle spielt. Mich ärgert aber die Vermischung. Die Freizügigkeit ist ein großes Geschenk. Wir wollen, dass qualifizierte Zuwanderer in Deutschland arbeiten und leben und heimisch werden. Davon profitieren wir. Wir sollten aber nicht verschweigen, dass auch Menschen kommen, die gar nicht arbeiten oder sich integrieren wollen. Das müssen wir klar voneinander trennen.

dpa: Schadet der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla mit der Debatte über seinen möglichen Wechsel zu Deutschen Bahn der CDU?
Tauber: Davon gehe ich nicht aus. Grundsätzlich gilt: Der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft und umgekehrt muss jederzeit möglich sein. Wir werden niemanden in der Wirtschaft finden, der sich ein paar Jahre in die Politik einbringt, wenn er vor Augen hat, dass er danach erst einmal drei Jahre die Füße hochlegen muss, weil eine Karenzzeit seine Rückkehr in die Wirtschaft unmöglich macht. Es tut der Politik aber gut, wenn wir mehr Quereinsteiger haben. Ohne einen Austausch käme sehr schnell die Kritik, dass es ganz schrecklich sei, wenn im Parlament nur Berufspolitiker, die nie etwas anderes in ihrem Leben gemacht haben, sitzen. Im Übrigen ist Ronald Pofallas berufliche Zukunft keine Entscheidung der CDU, sondern seine eigene.

dpa: Sie sind 39 Jahre alt und nun Generalsekretär dieser großen Volkspartei. Was schreckt Sie am meisten? Und was halten Sie Bedenken entgegen, Sie könnten zu jung und unerfahren für dieses Amt sein?
Tauber: Ich bin ein fröhlicher Mensch. Mich erschreckt so leicht nichts. Aber ich habe Respekt vor der einen oder anderen Herausforderung. Die CDU muss – gerade in einer großen Koalition – ihr Programm weiterentwickeln und ihren Markenkern deutlich herausstellen. Wir haben in diesem Jahr drei Landtagswahlen, zehn Kommunalwahlen und vor allem die Europawahl zu bestehen. Das Alter ist übrigens relativ. Wenn ich vor Schulklassen stehe, fragen sich die Schüler, was der alte Mann da von ihnen will. Außerdem bin ich mehr als die Hälfte meines Lebens – seit 21 Jahren – in der Partei. Ich glaube, dass ich sagen kann: Ich kenne meine CDU.

dpa: Was ist Ihr persönliches Ziel in Ihrem neuen Amt?
Tauber: Ich möchte dazu beitragen, dass die CDU als moderne, offene Volkspartei der Mitte für viele Menschen attraktiv bleibt.

dpa: Sie kommen aus Hessen. Wie finden Sie die dortige Bildung der schwarz-grünen Koalition?
Tauber: Als Hesse, aber auch als Bundespolitiker freut mich das sehr. Ich finde es toll, dass Hessen eine sehr gute Landesregierung unter Führung von Volker Bouffier als Ministerpräsident bekommt.

dpa: Schwarz-Grüner Testlauf in einem Flächenland für den Bund?
Tauber: Dass die CDU in der Lage ist, in einem großen Flächenland erfolgreich eine schwarz-grüne Regierung zu bilden, freut viele unserer Mitglieder.

Die Rechte am Interview liegen bei der Deutschen Presse-Agentur.