Interview von CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit der “B.Z. am Sonntag”

CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab der “B.Z. am Sonntag” (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulrike Ruppel.

B.Z. am Sonntag: Herr Tauber, wie muss die Politik auf diese furchtbare Tat in Köln reagieren?

Tauber: Dieses feige und hinterhältige Attentat hat uns alle zutiefst erschüttert. Ich hoffe auf eine rasche und vollständige Genesung. Ich fand es ein ganz wichtiges Signal, dass am selben Abend in Köln Vertreter aller demokratischen Parteien zusammen Flagge gezeigt haben. Denn das war ein Angriff auf alle Demokraten. Wir müssen aufstehen gegen jede Form von Gewalt.

B.Z.: Tragen Pegida und Co. eine Mitschuld?

Tauber: Es gibt zu viele, die im Internet oder bei Demonstrationen Hass säen. Zu Demokratie gehören unterschiedliche Meinungen, das Aushalten dieser Meinungen, der Austausch von Argumenten, das Ringen um Kompromisse. Wer aber zu Gewalt aufruft oder sie gar anwendet, verlässt den demokratischen Konsens. Und dagegen müssen wir uns entschieden wehren. Das gilt für Galgen bei Pegida-Kundgebungen genauso wie für eine Guillotine bei der Demo gegen das Freihandelsabkommen.

B.Z.: Die Union liegt in Umfragen nur noch bei 38 Prozent. Schrillen die Alarmglocken?

Tauber: Nein, überhaupt nicht. Wir haben ein Problem, das wir noch nicht gelöst haben. Da ist es normal, dass Leute kritisch reagieren. Das habe ich schon einmal erlebt: Anfang der 90er Jahre kamen die Jugoslawien-Flüchtlinge, es gab überfüllte Aufnahmelager. Trotzdem hat die Union die Bundestagswahl 1994 klar gewonnen – weil sie es geschafft hat, das Problem zu lösen und etwas Gutes für unser Land daraus zu machen.

B.Z.: Damals kamen Hunderttausende, heute Millionen.

Tauber: Auch damals haben wir über eine Million Flüchtlinge vom Balkan in Deutschland gehabt, aber nicht in so kurzer Zeit. Wir mussten damals aber noch ganz andere Herausforderungen stemmen: hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Wirtschaftsdaten, die Folgen der Wiedervereinigung. Heute ist Deutschland viel stärker aufgestellt. Und wir tun gerade alles, damit eben nicht Millionen kommen, wie Sie behaupten.

B.Z.: Wie wird sich das Thema auf die Landtagswahlen 2016 auswirken?

Tauber: Es wird eine wichtige Rolle spielen. Aber ich sehe da auch eine Chance. Gerade hat der Bundestag die massivste Änderung im Asylrecht seit 20 Jahren beschlossen. Dazu gehört die schnelle Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern. Daran werden sich die Landesregierungen im Wahlkampf messen lassen müssen. Und auf diese Debatte mit der SPD freue ich mich, weil diese zwar den Zuzug begrenzen will, aber jeden konkreten Vorschlag ablehnt. So auch unsere Forderung, an den deutschen Grenzen Transitzonen für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern einzurichten.

B.Z.: Wie wollen Sie gewährleisten, dass die Asylbewerber in diese Transitzonen gehen?

Tauber: Natürlich werden viele weiter über die grüne Grenze kommen. Aber man kann sie ja auch nach der Einreise in die Transitzonen bringen, wo über ihr Gesuch rasch entschieden und bei Ablehnung sofort abgeschoben wird. Transitzonen sind nur ein Baustein, keine Gesamtlösung. Wir können keinen Schalter umlegen, und dann kommt keiner mehr, sondern müssen mit vielen Ansätzen arbeiten, die wie ein Baukastensystem ineinandergreifen.

B.Z.: Und wenn die SPD bei ihrem Nein bleibt?

Tauber: Herr Steinmeier und Herr Gabriel können nicht sagen, dass sie den Zuzug begrenzen wollen, und dann Opposition spielen, sobald es zum Schwur kommt. Die SPD dreht sich wie ein Brummkreisel, der hoffentlich an der richtigen Stelle zum Stillstand kommt und nicht ständig umfällt.

B.Z.: Laut “Focus”-Umfrage wünscht sich ein Drittel der Deutschen den Rücktritt von Angela Merkel. Wie beschädigt ist die Kanzlerin?

Tauber: Ich bin überzeugt: Bei aller Kritik sind die Menschen froh, dass Angela Merkel in dieser Situation Bundeskanzlerin ist. Wer sonst kann unsere europäischen Partner zur Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise gewinnen und mit Amerikanern und Russen im Syrien-Konflikt reden? Das kann nur Angela Merkel! Sie hat in den vergangenen zehn Jahren ein großes Renommee aufgebaut – so wie Helmut Kohl bei der deutschen Einheit. Vieles, was danach gelungen ist, war auch deshalb möglich, weil Helmut Kohl international großes Vertrauen genoss.

B.Z.: Auch in der CDU wird gegen die Chefin revoltiert. Die Zuwanderung berührt ein Kernthema der Union.

Tauber: Es ist ja eben keine geregelte Zuwanderung. Und neben denen, die gleich gehen müssen, weil kein Asylgrund vorliegt, werden andere, sobald es möglich ist, in ihre Heimat zurückkehren. Angeblich wollen 70 Prozent das. Auch das war schon bei den Flüchtlingen vom Balkan ähnlich. Das Thema Innere Sicherheit ist für die CDU immer wichtig. Genau so wichtig ist für uns aber das C. Viele unserer Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich für Flüchtlinge. Und immer mehr haben eine Einwanderungsgeschichte. Die CDU ist als Volkspartei so vielfältig, dass sie das ganze Meinungsspektrum in sich trägt. Deshalb weiß Angela Merkel sehr genau um die Stimmung im Land, auch um die Sorgen und Ängste. Sie arbeitet daran, dass am Ende des Tages eine gute Lösung herauskommt. Aber die kann man nicht für übermorgen versprechen.

B.Z.: Die Flüchtlingsfrage polarisiert. Wie wollen Sie die Gesellschaft zusammenhalten?

Tauber: Was mir Sorge bereitet ist die mangelnde Bereitschaft, andere Sichtweisen zu akzeptieren. Zuhören, nachdenken, Kompromisse finden – das ist Demokratie. Die Asylreform ist ein erster Schritt. Aber wir werden noch über weitere Maßnahmen reden müssen, an die wir heute nicht einmal denken. Wir werden auch wieder über unsere Leitkultur reden, an die sich die Neuankömmlinge anpassen müssen. Dazu gehört mehr als das Grundgesetz. Dazu gehören auch Werte.

B.Z.: Zur Finanzierung der Herausforderungen haben Sie Steuererhöhungen ausgeschlossen. Neue Schulden wollen Sie nicht machen. Was tun, wenn das Geld ausgeht?

Tauber: Dann müssen wir uns überlegen, welche Priorität wir haben. Manche Dinge kann man nicht planen. Dazu zählt auch die wirtschaftliche Entwicklung. Fest steht: Wir haben die Schuldenbremse im Grundgesetz. Es gibt keine Steuererhöhungen in dieser Legislaturperiode. Daran orientieren wir uns.

B.Z.: Finanzminister Wolfgang Schäuble will anerkannten Asylbewerbern die Hartz-IV-Bezüge kürzen, wenn Sie noch Deutsch lernen müssen. Was sagen Sie?

Tauber: Ich finde es legitim, Anreize zu setzen, um sich anzustrengen und zu integrieren. In den skandinavischen Ländern werden Flüchtlinge für erfolgreiche Integrationsleistungen belohnt. Ein solches Belohnungssystem mit Sozialleistungen zu koppeln, ist eine Überlegung wert.