Trotz Mindestlohn: Aufstocker ein Teilzeitphänomen

Aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, Handlungsansätze im Bereich Langzeitarbeitslosigkeit, die Integration von Flüchtlingen und Migranten sowie Beobachtungen zum Mindestlohn standen  unter anderem im Mittelpunkt eines Gesprächs zwischen dem heimischen Bundestagsabgeordneten und CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber, seinem Bundestagskollegen Kai Whittaker, ausgewiesener Arbeitsmarktexperte aus Baden-Württemberg, sowie Alexander Noblé, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Hanau. Whittaker war einen Tag lang bei Peter Tauber zu Gast, um sich insbesondere über das im Main-Kinzig-Kreis seit 2005 praktizierte Modell der Optionskommunen aus erster Hand zu informieren.

Noblé und seine Kollegen Johann Rausch (Geschäftsführer operativ) sowie Rainer Kesper (Bereichsleiter) stellten den beiden Politikern die aktuellen Arbeitsmarktzahlen im Main-Kinzig-Kreis vor. Demnach ist die Arbeitslosenquote im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig – allerdings sei mit einer großen Anzahl von Arbeitsplatzverlusten bei aktuell ins Straucheln geratenen Firmen in der Region zu rechnen. Der geplante Arbeitsplatzaufbau in anderen Bereichen könne diese Verluste nicht aufwiegen.

Circa ein Drittel aller Arbeitslosen im Main-Kinzig-Kreis seien Langzeitarbeitslose, davon fielen circa 13 Prozent in den Bereich des SGB III (Arbeitsförderung). Für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen im Bereich des SGB II zeichnet bekanntlich der Main-Kinzig-Kreis selbst verantwortlich. Bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen kämen oft eine ganze Reihe von Vermittlungshemmnissen wie mangelnde Qualifikation, fehlende Motivation, psychische Probleme, Schulden, gesundheitliche Probleme oder Betreuungsfragen zusammen. Lohnkostenzuschüsse führten ohne konkrete Auflagen meist nur zu Mitnahmeeffekten; viel notwendiger und zielführender seien hingegen Investitionen in nachhaltige Qualifikation und den Abbau flankierender Hemmnisse.

Bei der Vermittlung von Flüchtlingen und Migranten in den Arbeitsmarkt erwiesen sich nach wie vor fehlende Deutschkenntnisse als zentrales Vermittlungsproblem. Hier erhoffen sich die Verantwortlichen mehr Unterstützung von Seiten des Bundes, um entsprechende Kurse anbieten zu können.

Beim Thema Mindestlohn zog Alexander Noblé ein recht pragmatisches Fazit: So seien Aufstocker kein Problem des Lohnniveaus, sondern ein Teilzeitphänomen. Die meisten Aufstocker würden deswegen von der neuen Mindestlohnregelung auch nicht erreicht und blieben Aufstocker – wenn auch in vermindertem Umfang. Eine – nicht repräsentative – Umfrage bei Arbeitgebern im Main-Kinzig-Kreis habe zudem ergeben, dass das Lohnniveau ohnehin überschritten werde und somit mit keinen gravierenden Konsequenzen auf dem heimischen Arbeitsmarkt zu rechnen sei.

Probleme könnten allerdings dort entstehen, wo kein Spielraum für Preiserhöhungen sei; erste Indizien für Missbrauch, beispielsweise durch die Einbehaltung von Trinkgeld, lägen bereits vor. Meist erfahre die Agentur für Arbeit allerdings erst bei nicht einvernehmlicher Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Umgehungstatsbeständen – nicht zuletzt, weil zwischen „Opfer“ und „Täter“, sprich Arbeitnehmer und Arbeitgeber, gleichsam eine Art „Komplizenschaft“ bestehe. Eine solide Bewertung, so Noblé abschließend, sei ohnehin erst nach einem Jahr möglich, wenn eine belastbare Statistik über die Entwicklung der geringfügig Beschäftigten vorliege.

(Foto: Ruppert)