“Berliner Abend” in Gelnhausen: “Die Menschen haben alles gewählt – nur keinen Politikwechsel”

Ein historisch gutes Wahlergebnis, nur drei fehlende Mandate bis zur absoluten Mehrheit, 16 Millionen Wähler – 3 Millionen mehr als beim letzten Mal – und damit über 40 Prozent der Stimmen: Was viele nicht mehr für möglich hielten ist der Union bei der zurückliegenden Bundestagswahl gelungen. Einzig die Tatsache, dass mit der FDP der „natürliche“ Koalitionspartner abhandengekommen sei, trübe die Freude über das hervorragende Abschneiden ein wenig, sagt Dr. Peter Tauber. Der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete hatte zu einem „Berliner Abend“ nach Gelnhausen eingeladen, um aus erster Hand von den Koalitionsverhandlungen mit der SPD zu berichten.
Das Wahlergebnis sei eine Bestätigung dafür, dass die Union Deutschland auf dem richtigen Kurs halte. „Die Menschen haben alles gewählt – nur keinen Politikwechsel“, urteilt Tauber. Die von einigen Kommentatoren oft beschworene „strukturelle linke Mehrheit“ sei nicht existent, was ein Blick auf die nackten Zahlen eindrücklich untermauere.
Nachdem sich die Grünen frühzeitig selbst, offenbar aus Angst vor der Übernahme von Verantwortung, aus dem Sondierungsprozess verabschiedet hätten, bliebe nun nur noch die SPD, um eine stabile Mehrheit zu bilden. Gespannt warte man auf den Ausgang des SPD-Mitgliederentscheids. Irritiert habe ihn, so Tauber, dass viele Sozialdemokraten, mit denen er gesprochen habe, eine mögliche Koalition mit der Union anfangs vehement ablehnten, allerdings ohne das sachlich begründen zu können. Unabhängig davon, dass die Große Koalition auch für die Union in den nächsten vier Jahren kein „Quell steter Freude“ sein werde, gehe er jedoch davon aus, dass es SPD-Parteichef Sigmar Gabriel in den vergangenen Wochen gelungen sei, die Mehrzahl seiner Parteifreunde einzusammeln – auch, weil die Union wesentlich entspannter in mögliche Neuwahlen gehen könne als dies bei der SPD der Fall sei.
„Die Union ist die einzig verbliebene Volkspartei in Deutschland. Deswegen machen wir etwas für die Älteren und für die Jüngeren. Das eine tun, heißt das andere nicht lassen“, bilanzierte der Christdemokrat. Wichtigster Erfolg der Koalitionsverhandlungen: Weder die Bürger, noch die Unternehmen müssen künftig mehr Steuern bezahlen. „Das gegenüber der SPD abzuwehren, war nicht leicht“, betonte Tauber, der für die Union selbst in zwei Arbeitsgruppen an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat. Auch eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa werde es nicht geben. Die Voraussetzung für mehr Wachstum sei mehr Beschäftigung in vier Jahren, auch hierfür seien die richtigen Weichen gestellt worden. Mit der Mütterrente sorge die Union für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft; auch die Kommunen sollen weiter entlastet werden. Mit dem neuen Venture-Capital-Gesetz wolle man aufstrebende Startups fördern und dafür sorgen, dass innovative Unternehmen künftig in Deutschland nicht nur gegründet werden, sondern hier auch langfristig am Markt bestehen können.
Die Diskussion um die Maut zeige, dass die Union tatsächlich aus zwei Parteien bestehe, CDU und CSU. „Ich bin mir sehr sicher, dass Horst Seehofer den Koalitionsvertrag ohne die Maut nicht unterschrieben hätte“, so Tauber. Wie und mit welchem Erfolg das Konzept schließlich umgesetzt werde, bleibe abzuwarten. Nicht nur hier laute die Devis: „Wichtig ist auf dem Platz.“ Das gelte im Übrigen auch für den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Hier habe man mit der SPD Ausnahmen in einigen Bereichen Ausnahmen vereinbart, auch regionale Unterschiede dürfe es weiterhin geben. Und, ganz wichtig: „Der Mindestlohn wird weiterhin von den Tarifparteien – Arbeitgebern und Gewerkschaften – festgelegt und nicht von der Politik vorgeschrieben.“ Außerdem dürfe man in der Debatte nicht vergessen, dass unter Unions-Führung bereits in 15 Branchen Mindestlöhne eingeführt worden seien – „und die liegen fast alle deutlich über 8,50 Euro.“
Dass der Zeitgeist konservativ sei, zeige nicht nur das gute Abschneiden der Union bei den Erstwählern. Mit der Einführung eines Gedenktages für Vertriebene trage man diesem wichtigen Teil der deutschen Geschichte Rechnung. Auch das Thema Christenverfolgung habe erstmals Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden – zu Recht, denn Christen seien die weltweit am meisten verfolgte religiöse Gruppe.
Bei der Bewertung des vorliegenden Koalitionsvertrags dürfe nicht vergessen werden, dass die Tagespolitik auch künftig für unvorhergesehene Wendungen sorgen könne: „Im letzten Koalitionsvertrag stand kein Wort über die Energiewende, die Euro-Krise oder die Aussetzung der Wehrpflicht. Und dennoch waren genau das die beherrschenden Themen der abgelaufenen Wahlperiode.”


Foto: Konstantin Kurt