Aus Einwanderern Bürger machen

CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber gab der „Bild am Sonntag“ am Wochenende das folgende Interview. Die Fragen stellten Miriam Hollstein und Roman Eichinger.

BamS: Herr Tauber, die SPD will ein Einwanderungsgesetz, Sie wollen ein Einwanderungsgesetz, aber weite Teile von CDU und CSU sind dagegen. Warum?

Peter Tauber: Entscheidend ist, was drin steht. Wie die Mehrheit der Deutschen sehe auch ich beim Thema Einwanderung Nachholbedarf. Aber das Konzept der SPD wirkt auf mich mit heißer Nadel gestrickt und greift auch zu kurz.

BamS: Die SPD will ein Punktesystem für Einwanderer nach kanadischem Vorbild. Was spricht dagegen?

Tauber: Eins zu eins abzuschreiben, was die Kanadier machen, wird den Herausforderungen in Deutschland nicht gerecht. Wir haben ein ganz anderes Asylrecht als Kanada, und wir haben die Freizügigkeit in der EU. Der SPD geht es nur um den wirtschaftlichen Aspekt, also um Arbeitskräfte. Mir geht es um die Menschen, die zu uns kommen, um ihre Bereitschaft zur Integration. Die entscheidende Frage ist: Wie machen wir aus den Einwanderern Bürger, die sich für Deutschland verantwortlich fühlen und unsere Werte teilen? Wir brauchen beim Thema Einwanderung keine Nachhilfe von der SPD. Und es geht auch nicht darum, die Tore aufzumachen.

BamS: Ihr Parteifreund, Innenminister Thomas de Maizière sagt, die bisherigen Regelungen reichen aus. Braucht Deutschland überhaupt ein neues Gesetz?

Tauber: Deutschland ist ein Einwanderungsland, und deshalb sollten wir die Regelungen auch Einwanderungsgesetz nennen. Das klingt auch deutlich einladender als das derzeitige Aufenthaltsgesetz. Aber natürlich fangen wir nicht auf einem weißen Papier an, sondern können auf gute bestehende Regelungen zurückgreifen. Doch die können wir noch verbessern und manche neuen Elemente hinzufügen. Mein Ziel ist es, die Einwanderung besser zu steuern: Nach Berlin werden Einwanderer immer gerne ziehen, und auch VW wird nie ein Problem haben, Fachkräfte zu kriegen, aber für den Mittelständler in der Provinz ist das nicht so leicht. Niemand möchte mehr Bürokratie, aber wir sollten uns anschauen, wie man regionalen Bedarf besser ermitteln kann. Und bei der Willkommenskultur und -struktur sieht ja auch Thomas de Maizière noch Luft nach oben.

BamS: An was denken Sie?

Tauber: Sogenannte Einwanderungs-Attachés könnten in den deutschen Botschaften der Länder, in denen wir Menschen für Deutschland begeistern wollen – wie etwa Indien, Korea, die USA, Brasilien oder Mexiko – gezielt für unser Land werben und über die Einwanderung nach Deutschland informieren. Auch sollten wir Auslandsschulen und Goethe-Institute stärker dafür nutzen. In Deutschland brauchen wir flächendeckend „Welcome Center“. Einwanderer sollen bei den Behörden nicht als Bittsteller auftreten müssen, sondern umfassend Hilfe bekommen – und das am besten aus einer Hand. Da geht es um mehrsprachige Dokumente und die Reduzierung von Behördengängen.

BamS: Sie reisen noch vor Ostern nach Ottawa, um sich zu informieren. Was können wir von Kanada lernen?

Tauber: Mir geht es dabei nicht um das Punktesystem! Kanada verwendet zum Beispiel viel Zeit und Mühe darauf, aus den Einwanderern Kanadier zu machen. Wir könnten etwa das Patensystem übernehmen. In Kanada bekommt jeder Einwanderer einen Einheimischen an die Hand, der ihm das Land näher bringt. Deutschland hat doch eine große Ehrenamtskultur. Warum sollten wir die nicht nutzen? Die Paten können den Einwanderern die deutsche Geschichte und Kultur nahe bringen. Da geht es nicht nur um Behördengänge, sondern um Demokratie, Gleichberechtigung, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung oder auch einfach mal darum, zu erklären, warum die Deutschen so fußballbegeistert sind. Ich beschäftige mich aber nicht nur mit Kanada. Auch andere europäische Länder wie Schweden sollte man sich genauer anschauen.

BamS: 15 Monate nach dem Start der Großen Koalition wirft die SPD der Union Blockadepolitik vor. Bremsen Sie Reformen aus?

Tauber: Das kann ich nicht erkennen. Aber wir achten eben sehr darauf, was im Koalitionsvertrag steht. Die Sozialdemokraten müssen damit leben, dass die Richtung in dieser Koalition von uns bestimmt wird. Wir halten an unserem historischen Meisterwerk, dem ausgeglichenen Haushalt, ohne Abstriche fest, tätigen zugleich wichtige Investitionen in die Zukunft und unterstützen die Kommunen. Dem hat sich alles andere unterzuordnen. Das führt zu Reibungen, weil der SPD ein Haushalt ohne Schulden nicht so wichtig ist.

BamS: Die SPD stört sich an der ständigen Kritik der Union am Mindestlohn. Ist das Projekt misslungen?

Tauber: Der gesetzliche Mindestlohn ist richtig. Aber wenn es bei der Umsetzung Probleme gibt, darf man nicht die, die darauf hinweisen, als „dumm“ und „Gauner“ bezeichnen, wie das SPD-Generalsekretärin Fahimi getan hat. Man kann sich nicht einfach die Ohren zuhalten, sondern muss sich der Diskussion stellen. Wenn die Umsetzung des Mindestlohns zu unnötiger Bürokratie führt, muss man das ändern.

BamS: Haben Sie sich über die Einstellung des Edathy-Prozesses geärgert?

Tauber: Juristisch mag das üblich sein. Aber wie viele andere habe auch ich mich sehr über die Einstellung des Verfahrens geärgert. Bei Herrn Edathy hat man außerdem den Eindruck, dass er nicht erkannt hat, wie falsch das war, was er gemacht hat. Darum ärgern sich viele ja doppelt.

BamS: Hat die SPD-Führung da Dinge vertuscht?

Tauber: Um das zu klären, gibt es den Untersuchungsausschuss. Er könnte Edathy nochmal befragen. Auf sein Zeugnisverweigerungsrecht kann er sich nach der Verfahrenseinstellung nicht mehr berufen. Die Reaktion der SPD-Spitze, ihn zum Parteiaustritt aufzurufen, wirkt auf mich recht hilflos. Die wichtigste Botschaft muss sein: Auch Menschen in hohen politischen Positionen können sich nicht aus ihrer Verantwortung mogeln.

BamS: Das Durchschnittsalter der CDU-Mitglieder liegt bei etwa 60 Jahren. Kann man das als Generalsekretär verändern, indem man Jogging-Fotos und persönliche Laufrekorde über Facebook und Twitter verschickt?

Tauber: Das zeigt doch, dass ich kein Apparat bin. Mir hilft der Sport, manches in meinem nicht ganz stressfreien Job auszuhalten. Ich teile mit Menschen aber fernab der Politik verschiedene Interessen – für das Laufen oder meinen Fußballverein Kickers Offenbach. Das heißt nicht, dass ich mein Privatleben komplett teile. Ich versuche lediglich, für unsere Mitglieder wie auch interessierte Bürger ansprechbar zu sein, auch über die sozialen Netzwerke.

BamS: Sie sind großer Star-Wars-Fan. Sind Sie als Generalsekretär schon mal von der dunklen Seite der Macht in Versuchung geführt worden?

Tauber: Weder Hass noch die anderen Versuchungen der dunklen Seite haben sich bislang meiner bemächtigt.

BamS: Wer ist für Sie der Darth Vader der Politik?

Tauber: Spontan fällt mir Ralf Stegner ein, obwohl man ihm damit eigentlich zu viel der Ehre tut. Es fällt mir auch schwer, jemanden zu benennen, denn Star-Wars-Fans wissen: In der Figur steckt eine tiefere Dialektik. Am Ende ist es Darth Vader, der die Macht ins Gleichgewicht bringt, indem er den Imperator tötet. Und nicht der edle Jedi, Luke Skywalker.